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Landschaft des Todes
Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg 19. bis 22. Juni
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal
Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts beginnt mit einem Kopfschuss. Es ist das Jahr 1974 – 60 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der französische Comic-Künstler Jacques Tardi zeichnet „Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten“. Sie erzählt von der Reise eines Schundautors durch surreale Räume. Dann trifft eine Kugel seine Stirn: „Pang – AARGLLL“. Das nächste Panel zeigt die Figur als toten Soldaten im Schützengraben: „Am 10. November 1918 endete alles für mich im Schlamm.“
Jacques Tardi hatte den Stoff gefunden, der ihm Albträume bereitete und den er in den kommenden Jahrzehnten in Albtraum-Szenarien darstellen sollte. Immer wieder insistiert er in seinem Werk auf den sinnlosen Verheerungen des Ersten Weltkriegs: Verheerungen von Landschaften, Körpern und Seelen. Der Großvater hatte diese am eigenen Leib erfahren, als er bei Verdun zwischen den Linien lag. Jacques Tardi – 1946 geboren, nachdem die großen europäischen Kriege verklungen waren – ist ein Kind des Friedens. Die Erzählungen des Großvaters aber ließen ihn nicht los. Er wurde zum Künstler des Menetekels, das den Zeitraum von 1914 bis 1918 an die Wand schreibt, um den Wahnsinn laufender und künftiger Kriege zu verhindern.
Immer wieder also Weltkrieg Eins: In der fünften Episode der Schauer-Serie „Adeles ungewöhnliche Abenteuer“ mit dem Titel „Das Ende der Hoffnung für Volk und Vaterland“ (1974), in „Grabenkrieg“ (1993), „Soldat Varlot“ nach einem Szenario von Didier Daenickx (1999), „Elender Krieg“ (2008). Freilich sind „Grabenkrieg“ und „Elender Krieg“ die Hauptwerke zu diesem Thema. Tardi geht in die Schützengräben. Er entwirft das Kriegsgelände an der Westfront, auf dem für wenige Meter Raumgewinn Tausende von Menschenleben geopfert wurden, als apokalyptische Landschaft, wie er sie gelernt hat von den Zeitzeugen der Ereignisse, wie er sie ablesen konnte von den fotografischen Dokumenten der Epoche. Viele seiner Bilder sind historischen Vor-Bildern nachempfunden. In „Grabenkrieg“ sind sie in die Farben Schwarz und Weiß, vor allem aber in Grau getaucht. In „Elender Krieg“ sind die Szenen koloriert, allerdings in den dezenten, wenn auch mörderischen Nuancen des Stahls. Nur der Horizont ist manchmal in rote Flammen gehüllt. Dort leuchtet der Vorschein der Hölle.
Jacques Tardi hat die Dokumente der Kriegszeit, die teilweise durch den Blick von Künstlern gebrochen waren, mit seiner Grafik nochmals zugespitzt und verdichtet. Er führt die Betrachter in ein Niemandsland des Todes und der Hoffnungslosigkeit. Figuren ohne Perspektive integriert er in Bühnenbilder des Grauens. Allerdings verstärkt die Häufung und Ballung des Grauens in den Bilderfolgen der Comic-Bücher ihre Wirkung und wird zum Appell für die Vermeidung von Kriegen.
Ohne den Erzähler Tardi geriete die Bilderhäufung des Grafikers jedoch in Gefahr, zu Überdruss zu führen oder zur Redundanz. Hier geleitet die „Erzählstimme“ des Autors in den Sprechblasen und Info-Kästen den Rezipienten sicher durch das Labyrinth aus Stacheldrahtgewöllen, Granatentrichtern und Leichenhügeln. Es mag der objektive Erzähler sein, der Fakten vermittelt, wie in „Grabenkrieg“, oder der subjektive Ich-Erzähler, der Identifikation zulässt, wie in „Elender Krieg“. Der Text fügt die Bilder zusammen. Der Text leitet die Interpretation. Die Absurdität des Einsatzes von Kolonial-Soldaten wird ebenso evident wie die zynische Verwirrung der Frauen an der „Heimatfront“, die im Namen des Vaterlands genau jene Waffen produzieren, die ihre Männer bedrohen und vernichten.
Kaum je sind militärische Floskeln in ihrer mörderischen Sinnlosigkeit so grell entlarvt worden wie in den Kriegs-Comics von Jacques Tardi. Da weitet sich sein Werk dann in die existenziellen Fragestellungen nach der Condition Humaine. Was hält den Mann im Schützengraben? Warum bringt er den Menschen um, mit dem er gerade in einer Feuerpause Weihnachten gefeiert hat? Warum schießt man auf den Feind und nicht auf den Offizier, der Mord einfordert? Was also macht den Menschen zum Krieger? Auch Jacques Tardi kennt die Antworten nicht. Aber er artikuliert das Entsetzen darüber, dass es so ist.
Herbert Heinzelmann
Putain de guerre! Elender Krieg
Szenisches Konzert von Dominique Grange, Jacques Tardi und Accordzéâm
Donnerstag, 19. Juni, 21 Uhr – Markgrafentheater
Gespräch mit Jacques Tardi, Jean-Pierre Verney, Paul Derouet und Hans-Diether Dörfler
Freitag, 20. Juni, 15 Uhr – Rathaus, Großer Ratssaal, 1. Stock
Führung durch die Ausstellung (gemeinsam mit der Ausstellung „Den Krieg im Blick – Künstler an der Front“) mit Hans-Diether Dörfler:
Donnerstag, 19. Juni, 15 Uhr und Samstag, 21. Juni, 12:30 Uhr
Die Ausstellung „Landschaft des Todes – Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême (Frankreich) und der Birke und Partner Kommunikationsagentur Erlangen. Die Ausstellung wird gefördert durch den Kulturfonds Bayern und die Deutsch-Französische Kulturstiftung.
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Landschaft des Todes
Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg
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Den Krieg im Blick – Künstler an der Front
Zeitgenössische Perspektiven von Gus Bofa, Jean-Émile Laboureur, Charles Martin, Chas Laborde, Pierre Falké, Otto Dix, Erich Drechsler, Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson, Erich Schilling und anderen
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Lob des Kohlenstoffs
Zeichnungen und Bildgeschichten von Anke Feuchtenberger
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White Trash Carnival
Comic-Poesie und Malerei von ATAK
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28. und 29. Internationales Comic-Zeichner-Seminar 2013 und 2014
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Seitenblick – Comic und Illustration
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Mawil: Kinderland
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Birke und Partner präsentiert
Comic-Artist in Residence – Herr Lehmann im MCS.1
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Joe Sacco: Der Erste Weltkrieg – Die Schlacht an der Somme
Open Air-Installation
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Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg: Gung Ho – Videoinstallation
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Marc Lizano: L’enfant cachée / Das versteckte Kind
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