english Versionvom 3.-6.Juni 2010
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Sechs Zeichner – Ein Autor
Graphic Novels von Peer Meter, gezeichnet von Barbara Yelin, Isabel Kreitz, David von Bassewitz, Gerda Raidt, Nicola Maier-Reimer und Julia Briemle
3. bis 6. Juni 2010
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal

Vor genau 20 Jahren erschien zum 4. Internationalen Comic-Salon Erlangen 1990 „Haarmann“, ein 48-seitiges Comic-Album in Schwarzweiß, das damals sowohl erzählerisch als auch grafisch in der deutschen Comic-Landschaft ein Novum war und große Aufmerksamkeit erweckte. Es ging in dem Album um den hannoverschen Serienmörder Fritz Haarmann. Die ganze Geschichte sollte etwa 140 Seiten betragen, also der Stoff für das, was man seit wenigen Jahren Graphic Novel nennt. Leider wurde damals von Verlagsseite beschlossen, daraus drei Bände zu machen, damit schon zum Erlanger Comic-Salon etwas erscheint. Dieses erste Album endete, als es gerade spannend wurde, die weiteren Bände wurden nie gezeichnet ... Der Autor hieß Peer Meter, er lebte damals schon in Worpswede, und der brillante Zeichner war Christian Gorny, der bald nach England zog und sich inzwischen wohl von der Comic-Welt verabschiedet hat.
Der Schriftsteller Peer Meter, der sich nach dieser enttäuschenden Erfahrung in seine Literatur und seine historischen Recherchen zurückgezogen hatte, meldete sich vor gut drei Jahren wieder. Sein Anliegen war, einen Künstler zu finden, der seinen „Haarmann“ neu und diesmal vollendet zeichnen würde. Es wurde eine Künstlerin: die Hamburgerin Isabel Kreitz, bereits bekannt u. a. durch „Die Entdeckung der Currywurst“, „Die Sache mit Sorge“ (beide Carlsen) und ihre Comic-Adaptionen von Erich Kästner (Cecilie Dressler Verlag). Das Buch wird nun im Herbst 2010 bei Carlsen und voraussichtlich 2011 in französischer Übersetzung bei Casterman erscheinen.
Peer Meter interessiert sich seit langen Jahren für Serienmörder, nicht aus voyeuristischer Morbidität, sondern weil sie psychologisch betrachtet anormal und rätselhaft sind, weil deren Schicksal hervorhebt, wie eine Gesellschaft in einer bestimmten Epoche mit Devianz klar umgeht. Waren Fritz Haarmann oder Gesche Gottfried, die Giftmörderin von Bremen, Ungeheuer oder psychisch Kranke? War die Gesellschaft an diesen Fällen unschuldig?
Über Gesche Gottfried recherchierte Peer Meter jahrelang im Bremer Staatsarchiv. Daraus wurden einige Bücher, ein Theaterstück und nun der grafische Roman „Gift“, der von der Berlinerin Barbara Yelin gezeichnet wurde und vor kurzem bei Reprodukt und in Frankreich bei Éditions de l’An2 erschienen ist.
Mit „Gift“ wird in der Ausstellung das einzige unter sechs Werken präsentiert, das zu diesem Zeitpunkt bereits erschienen ist. Etwas ungewöhnlich, doch geht es in Ausstellungen ja nicht in erster Linie darum, dem Besucher schöne Original-Seiten von dem zu zeigen, was schon im Handel zu finden ist. Ob Isabel Kreitz oder David von Bassewitz, der sich in „Vasmers Bruder“ mit dem Fall Karl Denke, einem weiteren Serienmörder, auseinandersetzt, ob die Leipziger Illustratorin Gerda Raidt, die mit „Böse Geister“ zum ersten Mal einen Comic-Band zeichnet, ob die routinierte Nicola Maier-Reimer mit „Ein chinesischer Affenhund“ oder die junge Julia Briemle mit „Eine kleine Nachtmusik“ – alle sind noch am Werk und befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Herstellungsprozesses.
Diese Ausstellung ist also eine Bestandsaufnahme, ein Blick hinter die Kulissen, der nicht zuletzt dokumentiert, wie schwer es ist, eine grafische Erzählung zu produzieren: die passenden Charaktere zu definieren, den richtigen Strich zu finden, über 80 oder 200 Seiten die Dramaturgie und den Rhythmus einer Geschichte zu gestalten. Es gibt hier keine uniforme Art voranzukommen, jeder hat seine eigene Technik, seine eigene Sensibilität und manchmal seine Unerfahrenheit.
Die hervorragende Illustratorin Gerda Raidt ließ sich gerne bei ihrem ersten Comic von der etablierten Isabel Kreitz beraten, wie man eine Bilderfolge auf einer Seite organisiert. Nicola Maier-Reimer mit ihrer langen Erfahrung als Storyboard- und Animation-Zeichnerin wusste erst nach der Erstellung eines detaillierten Storyboards, also nach dem Eintauchen in die Handlung ihrer Geschichte, wie ihre Hauptfiguren auszusehen hatten. Julia Briemle, die ihr Brot in einem Trickfilm-Studio verdient und erst vor wenigen Monaten mit Peer Meters Szenario konfrontiert wurde, entwarf zuerst eine irreale Märchenwelt, bis sie feststellte, dass diese zum Stoff nicht passte. Und der Virtuose David von Bassewitz malte immer wieder die ersten Seiten von „Vasmers Bruder“ neu, bis ihm klar wurde, was er zu tun hatte.
Allerdings musste Peer Meter auch suchen und ändern. Allein an seinem Tisch schreibt der Szenarist seine Seiten, er macht sich seinen eigenen „Film“, in diesem Fall seinen eigenen Comic. Und plötzlich wird er mit einer anderen Welt konfrontiert, der des Zeichners, die ihn zu Kompromissen zwingt. Die Geschichte ändert sich zwangsläufig, zumindest deren Atmosphäre. Es gab anfangs einen Autor, nun sind es zwei. Komplementarität ist angesagt und diese geht nicht immer ohne Reibungen und Krisen, wie diese Ausstellung es auch dokumentiert.
Bei vielen Graphic Novels, im Allgemeinen und besonders in Deutschland, beschäftigen sich die Künstler mit Autobiografischem. Das liegt sicher daran, dass sie das legitime Bedürfnis haben, sich mit ihren eigenen Erlebnissen auseinanderzusetzen, dass sie die eigene Welt am besten kennen und reflektieren können, dass sie eine eigene Botschaft zu transportieren haben. Ein anderer Grund ist aber auch oft, dass sie niemanden kennen, der ihnen eine richtige Geschichte liefern könnte. Dies hat sicherlich mit der noch immer mangelnden Akzeptanz der grafischen Literatur in Deutschland zu tun: Die meisten Schriftsteller denken an Romane, an Theater oder an Film, selten an eine Graphic Novel. Peer Meter ist derzeit noch eine Ausnahme. Vielleicht wird aber der eine oder andere Autor diese Ausstellung sehen und auf die Idee kommen, sich an einem Szenario zu versuchen – nicht wenige talentierte Zeichner würden sich darüber freuen.
Paul Derouet

Preview

 

Jahrhundert der Comics
Die Zeitungs-Strip-Jahre
Vom Leben gezeichnet
Deutsche Zeitungs-Strips heute
Sechs Zeichner – Ein Autor
Graphic Novels von Peer Meter, gezeichnet von Barbara Yelin, Isabel Kreitz, David von Bassewitz, Gerda Raidt, Nicola Maier-Reimer und Julia Briemle
Kosmos und Comic
Der universelle Mythologe Jens Harder
Mahlermuseum
Die minimalistischen Variationen des Nicolas Mahler
Jetzt wird alles wieder gut!
Der Comic als Konzept – Oliver Grajewski ist Tigerboy
Aspekte des Alltags
Der Zeichner und Szenarist Pascal Rabaté
Mecki
Sechzig Jahre Comic-Abenteuer
Happy Birthday, Charlie Brown!
Die Peanuts werden 60
Zieh, Fremder!
Die ewige Faszination Western
Im großen Atem der Natur
Deribs und Jobs magische Western-Serie „Yakari“
Reise ins Abenteuer
Neue Seiten von Milo Manara
Und das Wort ist Bild geworden
Über die Comics und das Religiöse
Grenzgebiete – drüben!
Kindheitserinnerungen zwischen Ost und West
Fremdheit in Text und Bild
Universität Erlangen-Nürnberg und Hochschule für Gestaltung Offenbach
Die Duckomenta
Die Enten sind zurück!
Manga als „Sprache“
Graduate Students der Kyoto Seika University stellen sich vor
Jakob – Ein Comic-Märchen
Abschlussprojekt an der Filmakademie Baden-Württemberg
Seelenstrips
Autobiografische Comic-Blogs aus Deutschland
cinearte – cinecomic
Geschichten in Bildern
Künstlerische Comics und Cartoons
Der Comic-Salon zu Gast im Kunstmuseum Erlangen
Der letzte lebende Mensch ... Morgen!
24. und 25. Comic-Zeichner-Seminar 2009 und 2010
The Last Match
Die kleinste große Ausstellung der Welt
The wooden house
Der Traum vom eigenen Pferd
Tonto – Granulat 6/10
Schaufenster-Präsentation
World Wide Fund For Nature WWF
Kein Kahlschlag für Kinderbücher!
Comic Café – Comicaze
Das Beste von Münchner Comic-Zeichnern – Live und in Farbe!
toonsUp präsentiert:
Let's Play!
Nichts für Zyklopen
3D-Cartoons von Anjo Haase