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Jetzt wird alles wieder gut!
Der Comic als Konzept – Oliver Grajewski ist Tigerboy 3. bis 6. Juni 2010 Öffnungszeiten: Do 12–22, Fr/Sa/So 10–22 Uhr Frühere Galerie Beck
Zeitschnitte: Der Begriff, mit dem Oliver Grajewski selbst spielt, ist charakteristisch für seine Kunst. Das Wort Zeit deutet unaufhörliche Kontinuität an. Das Wort Schnitt beschreibt die Unterbrechung von Kontinuität. Schnitte in der Zeit, Schnitte in die Zeit – das ist die Technik des Kinos, aber auch die Technik der Erinnerung. Das Gehirn funktioniert als Schneidemaschine. Sie verwandelt die Kontinuität der Erfahrung in segmentierte Erzählungen. Sie sortiert diese Erzählungen nach Bedarf. Sie ordnet sie zur scheinbaren Biografie, die doch tatsächlich zum großen Teil aus Verkennungen besteht, aus Täuschungen und aus Mythen.
Mit ähnlichen Mitteln beschreibt Oliver Grajewski durch seine Kunst die Welt und seine Existenz in der Welt. Diese Kunst wird der Gattung der Comics zugerechnet, weil sie immer wieder auf Grafik in Bildfeldern zurückgreift und weil sie Bilder immer wieder mit Erzählungen konfrontiert. Oft sind es tatsächlich Konfrontationen von Text und Bild, vor allem in Grajewskis eigenem Magazin „Tigerboy“. Da sind Sätze niedergeschrieben (in Englisch, in Deutsch, in Japanisch). Daneben stehen Bilder. Zwischen ihnen gibt es Ergänzungen, gibt es Schlägereien. Die Bilder geben manchmal das wieder, was die Augen beim Gang durch (Stadt-) Landschaften erfassen. Oder sie visualisieren das Flimmern des Kopfkinos. Oder sie zitieren, was in den Medien schon Bild geworden ist: Comic-Figuren, Filmhelden, Vor-Bilder aus Malerei und Grafik.
„Kopfkino“ war der Titel einer Ausstellung im Kunsthaus Dresden, an der Oliver Grajewski teilgenommen hat. Er gehört zu den Künstlern, die sich zwischen Publikation und Galerie bewegen. Die Bilderfolgen, die er zum Blättern produziert, bestehen an den Wänden von Kunsthallen, weil sie einen grafischen Duktus pflegen, der über die Gebrauchsformen für Erzählung und Unterhaltung hinausweist in den Bereich der sogenannten Freien Künste, wie er seit der Pop Art umrissen ist. Seither ist zum Beispiel das Zitat als Ikone vertretbar. Grajewski greift es immer wieder auf, vor allem in seiner Serie über die Abende im Abendland. Collagen führt er durch Kombination und Ironie in tiefere Bedeutung über. Da blitzt Zeitkritik auf, allerdings stets gebrochen durch ein präsentes künstlerisches Ich. Aber dieses Ich präsentiert sich als Kombination von Zeichen, als offene Form der Prägung durch die Erfahrungen der Welt auch in ihrer medialen Erscheinung.
Den grafischen Fundus dieser medialen Welt-Erscheinung nutzt Oliver Grajewski mit großer Souveränität und handwerklicher Prägnanz. Das Spektrum seiner Striche reicht von der expressiven Eruption der Linien und Schraffuren bis zu präzisen figuralen Umrissformen. So schafft er Stadtbilder wie in „tokio, rückwärtstagebuch“ mit Kathrin Röggla, autobiografische Erinnerungsfilme wie die Geschichte „Jenseits der Zeit“ oder Hommagen an die Comic-Welt wie „Kimba, Captain Future and Mariah Carey“ – Short Cuts in die Komplexität des Realen.
Herbert Heinzelmann
Empfang in der Ausstellung: Donnerstag, 3. Juni, 19:30 Uhr
Eintritt frei!
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