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Mahlermuseum
Die minimalistischen Variationen des Nicolas Mahler 3. bis 6. Juni 2010 Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19 Uhr, So 10–18 Uhr Salon-Galerie
Um sich dem österreichischen Comic-Künstler Nicolas Mahler zu nähern, ist es vielleicht hilfreich, ein berühmtes Zitat des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein zu variieren: „Absurd ist, was der Fall ist“. Absurd scheint die Weltsicht des Nicolas Mahler. Irgendwie absurd sind aber auch seine Zeichnungen. Von Reduktion ist im Zusammenhang mit ihnen gern die Rede, von Konzentration. Man könnte den Begriff abstrakt einführen. Mahler schafft Gestalten aus Längen und Runden. In der Serie „Flaschko“ um den Helden mit der Heizdecke ist die Hauptfigur auf ein Gebilde in der Grobform eines Fingerverbandes reduziert. Darüber deuten zwei Ellipsen einen Kopf an. Das Gebilde ist in einem kenntlich gezeichneten Sessel untergebracht und auf fast jedem Panel ähnlich positioniert und identisch wiedergegeben. Es geht hier offenbar um Ähnlichkeit, Reproduktion, Variation. Zum Ensemble der Flaschko-Comics gehören außerdem ein Tischchen mit Fernseher und eine weitere Grobform, die Flaschkos Mutter repräsentiert. In diesem stets wiedererkennbaren „Bühnenbild“ inszeniert Mahler Dialoge in der Folge des „Endspiels“ von Samuel Beckett. Die existentielle Leere des Panels wird mit Nonsens-Spiel gefüllt, allerdings nur in minimal veränderten Situationen und Bildanordnungen. Auch der Stilbegriff des Minimalismus lässt sich auf Nicolas Mahlers Werk projizieren.
Mahler ist Jahrgang 1969, in Wien geboren, hat Familie, ist seinem Heimatland Österreich verhaftet, veröffentlicht seine Arbeiten aber (zum Teil für dortige Verlage geschaffen) in Frankreich, England, Kanada. Insofern ist er ein internationaler Künstler. Er zeichnet für Magazine und Zeitungen. In Wien hat er mit Heinz Wolf (mit dem er auch für Geschichten zusammenarbeitet) und Rudi Klein die Galerie „Kabinett für Wort und Bild“ gegründet. Dort betreut und veranstaltet er Ausstellungen.
In jüngeren Arbeiten hat Nicolas Mahler den Minimalismus, unter weitgehender Bewahrung der Abstraktion, ein wenig angedickt. Er hat neue Formen ausprobiert, wie die Parodie in der Superheldengeschichte „Engelmann“. Darin akzentuiert er seine grafischen Grundformen mit Farbflächen und mit Kolorierungen in gedämpften, aber kaum gemischten Farben. Er hat dem Wort größeren, wenn auch nicht unbedingt sinnstiftenden Raum gegeben und spielt vor allem in „Längen und Kürzen“ mit literarischen Gattungen wie Gedicht, Autobiografie, Tagebuch. Die Arbeiten werden einerseits komplexer, wie in „Pornografie und Selbstmord“. Andererseits ziehen sie sich noch mehr ins grafische Konzentrat zurück, wie in dem Band „poèmes“, den Mahler für die Montrealer „Édition de la Pastèque“ geschaffen hat. Der Künstler macht Versuche, streckt Tentakelarme aus nach neuen Spielarten seiner ureigenen Artikulationsform, schüttelt das Kaleidoskop geschärfter Alltagsbetrachtung immer wieder neu. Doch im Zentrum des von Nicolas Mahler zusammengesetzten Weltbildes bleibt das Erstaunen über die Absurdität des Seins, die er mit wenigen Strichen in ästhetischen Klang versetzen kann.
Herbert Heinzelmann
siehe auch Max und Moritz-Preis
Empfang in der Ausstellung: Donnerstag, 3. Juni 2010, 17 Uhr
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